RED SUMMERTALK 2023

EINBLICKE IN EIN WACHSTUMSMINDSET – DAS STREBEN NACH KONTINUIERLICHER VERBESSERUNG.

Marcel Hug, Paralympic Athlet «The Swiss Silver Bullet»


Marcel, woran denkst du, wenn du an ein Wachstumsmindset denkst?

Für mich ist ein Wachstumsmindset von grosser Bedeutung und zentral, insbesondere als Athlet. Dieses spielt bei mir einerseits eine zentrale Rolle im Training und anderseits, wenn es darum geht, Spitzenleistungen abzurufen. Denn mental muss ich stetig wachsen, um Fortschritte zu erzielen. Im Alltag hilft mir ein Wachstumsmindset, um kontinuierlich zu lernen, zu wachsen und neue Erfahrungen zu sammeln.

Mit der Wachstumsmentalität verbinde ich auch eine Formel, welche mir mein damaliger Junioren-Trainer ans Herz gelegt hat. Die «X+1» Formel.

Sie dient als tägliche Motivation sowohl im Training als auch im Alltag. Dabei steht X für Geschwindigkeit oder Distanz, die +1 symbolisiert das nächste Ziel, um meine eigenen Grenzen zu erweitern und den Weg zum Champion zu gehen.

Die «X+1» Formel hilft mir im Alltag, meine eigenen Grenzen zu erweitern und den Weg zum Champion zu gehen.
— Marcel Hug

Wie sieht ein Alltag im Leben von Marcel Hug aus?

Mein Alltag ist geprägt von intensivem Training, das aus mindestens zwei bis sogar drei Einheiten pro Tag besteht, wobei jede Einheit etwa 1,5 Stunden dauert. Dabei umfasst mein Training zwei- bis dreimal pro Woche Krafttraining und intensive Einheiten im Renn-Rollstuhl auf der Bahn. Wenn ein Marathon ansteht, trainiere ich zusätzlich auf der Strasse. Zudem integriere ich eine Ausgleichssportart wie Schwimmen oder Handbike im Sommer oder Langlauf im Winter, um meinen Körper vielseitig zu fordern. Indem ich meinem Körper und meinem Geist andere Reize und Bewegungen ermögliche, stelle ich sicher, dass mein Training nicht einseitig wird und ich mich laufend weiterentwickle.  

Neben dem Training ist Regeneration ein essenzieller Bestandteil meines Alltags. Dazu gehören u.a. Massagen und auch die Nutzung einer Kältekammer für eine effektive und schnelle Erholung.

Ferner bin ich selbst für mein eigenes Management verantwortlich, was bedeutet, dass ich regelmäßig Buchhaltungsaufgaben erledige, Sponsoren betreue und Interviews oder Referate geben darf.  


Als Spitzensportler kennst du neben Höhepunkten sicherlich auch Niederlagen. Hast du einen Tipp für uns, wie wir mit Niederlagen besser umgehen können?

Niederlagen nehme ich oft als Ansporn, viel zu lernen. Ich nutze sie beispielsweise als Quelle der Motivation oder sie zeigen mir mögliche taktische Fehler auf, die ich korrigieren kann.

Allgemein betrachte ich die Niederlagen mittlerweile jedoch gelassener, was sicherlich mit dem Alter und der Erfahrung zusammenhängt. Möglicherweise spielt es auch eine Rolle, dass ich bereits viele Erfolge verbuchen durfte.

Niederlagen sind ein wichtiger Bestandteil des Erfolgsprozesses.
— Marcel Hug

Hast du ein Ritual, wie du mit Niederlagen umgehst?

Der Austausch mit meinem Trainer hilft mir sehr in solchen Situationen, nicht nur nach Niederlagen, sondern auch nach Siegen. Vor grossen Veranstaltungen helfen mir zusätzlich meine Sportpsychologin.

Der Trick der Visualisierung hilft mir auch meistens. Bei den Paralympics in Tokyo habe ich beispielsweise meine Distanzen auf kleinen Jokerkarten notiert. Jede Karte repräsentierte eine Disziplin und eine potenzielle Medaille. Um mit einer Niederlage umgehen zu können, und mich voll auf den nächsten Wettkampf zu fokussieren, hätte ich symbolisch die entsprechende Karte verbrannt, um damit abzuschliessen. Zum Glück war dies in Tokyo nicht erforderlich (lacht).

Du bist derzeit ja unendlich erfolgreich und mit viel Energie unterwegs. Wo tankst du Energie und Inspiration für deine Spitzenleistungen?

Motivation und Inspiration finde ich an vielen verschiedenen Orten. Der Austausch mit Sportlern aus anderen Disziplinen ist für mich oft hilfreich. Auch das Lesen über neue Entwicklungen im Sportbereich hilft mir, neue Inspiration zu finden. Die Natur ist ebenfalls eine wichtige Quelle, um neue Energie zu tanken, besonders da ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin.

Wenn es mal Momente gibt, in denen ich nicht so motiviert bin für mein Training, erinnere ich mich daran, dass es mein Beruf ist. Andere Menschen haben auch nicht immer 100% Lust auf ihre Arbeit, aber sie geben trotzdem ihr Bestes.

Welche Ziele verfolgst du noch und wie wählst du diese aus?

Gewisse Ziele sind bereits gesetzt, wie die nächsten Paralympics anfangs September in Paris. Auf dem Weg dorthin setze ich mir Zwischenziele, um mir bewusst zu machen, wo ich stehe und wie ich mich weiter verbessern kann. Ferner sind Marathons fest in meinem Plan verankert, auch weil ich hier ein gewisses Einkommen erwirtschaften kann.

Speziell faszinierend ist deine Art und Weise, Spitzenleistung auf Startschuss abzurufen. Welcher Anteil macht hier die sportliche vs. mentale Vorbereitung aus?

Wenn ich mich auf den Start vorbereite, sage ich mir selbst, dass ich alles Mögliche getan habe, um meine beste Leistung abzurufen. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit. Mehr kann ich nicht beeinflussen. Alles, was in meiner Macht stand, habe ich getan. Alles andere wird sich ergeben.

Was machst du, wenn du ein Ziel verfehlst?

Es hilft sehr, das Scheitern zu analysieren und herauszufinden, warum es nicht funktioniert hat. Dadurch kann ich besser mit einer Niederlage umgehen. Andernfalls gerate ich eher in eine Spirale der Unsicherheit, aus der es schwierig ist, sich zu befreien.

Dann sage ich mir: Beim nächsten Mal mache ich es besser. Das klingt einfach, aber es bedarf Zeit und Erfahrung, um mit einer solchen Situation umzugehen.

Wie viel macht deiner Erfahrung nach die mentale Stärke für einen Podestplatz aus?

Das Mentale ist genauso wichtig wie das Körperliche. Speziell in einem Finale kann ich davon ausgehen, dass alle Athleten körperlich auf ihrem Höhepunkt sind. Da kann die mentale Stärke den Unterschied ausmachen.

In einem Finale sind alle Athleten körperlich auf ihrem Höhepunkt, daher kann das Mentale in solchen Situationen den entscheidenden Unterschied ausmachen.
— Marcel Hug

Wie motivierst du dich noch trotz all deinen Erfolgen?

Natürlich habe ich viel erreicht und dennoch habe ich immer wieder neue Ziele. Sei es, meine eigenen Rekorde zu verbessern oder bereits gewonnene Titel zu verteidigen. Was mich jedoch dazu motiviert, weiterhin an diesen Zielen festzuhalten, ist die Freude am Sport selbst. Ich trainiere mit grosser Begeisterung und kann dort auch meine eigenen Fortschritte verfolgen.

Was lässt dich an einem Ziel über lange Zeit festhalten, trotz Rückschlägen und womöglich mehrfach «knapp nicht geschafft»?

Mir ist wichtig, nach einem bedeutenden Ereignis Zeit zu nehmen, um nicht in ein Loch zu fallen. Natürlich ist es einfacher, wenn ich mit einem Sieg abschliessen kann, dennoch versuche ich mir Zeit zu geben, um damit abzuschliessen und das nächste Ziel in Angriff zu nehmen.

Was mir hilft, ist ein Moment des Rückblicks, bei dem ich alles noch einmal Revue passieren lasse. Das hilft mir zu erkennen, was alles nötig war, um dieses Ziel zu erreichen.
— Marcel Hug

Wer ist Marcel Hug ganz persönlich?

Ich bin von Natur aus ein eher ruhiger, introvertierter und überlegter Mensch. Diese Eigenschaften helfen mir auch im Sport, da ich mir viele Gedanken mache und meine Handlungen sorgfältig plane. Zusätzlich bin ich äusserst fokussiert und diszipliniert, was mir dabei hilft, meine Ziele zu verfolgen und hart dafür zu arbeiten.


Kann dir der „Einzelsportler“ Marcel Hug im Leben manchmal auch querstehen?

Ja. Die konstante Optimierung und Verbesserung haben mich weit gebracht, können aber tatsächlich auch hinderlich sein. Ich musste auch lernen, gewisse Dinge loszulassen und mir eingestehen, dass ich nicht immer alles verbessern kann und muss.

Als Einzelsportler kann und muss ich teilweise egoistisch sein, was in gewissem Masse auch Vorteile mit sich bringt. Dennoch ist es wichtig, dieses Denken immer wieder auszuschalten, um nicht nur auf sich selbst bezogen zu sein.

Welche 2 Entscheide in deinem Leben würdest du als die besten bezeichnen?

Der wichtigste Entscheid für mich war der Wechsel zum Profisport. Auf dem Weg dorthin gab es viele kleine Entscheidungen, die dazu beigetragen haben.

Ein weiterer bedeutender Entschluss war die Zusage für ein Rennrollstuhl-Projekt, wofür wir mit verschiedenen Partnern in der Schweiz einen neuen Rennrollstuhl entwickelt haben. Dafür habe ich viel Zeit und Energie investiert und bin ein Risiko eingegangen. Dieses hat sich zum Glück bewährt und diese Erfahrung hat meinen eigenen interdisziplinären Horizont erweitert.

Wenn du Zauberkräfte hättest, was würdest du auf unserer Erde verändern?

Ich möchte ein Vorbild für Junge und später aktiver Botschafter für diesen Sport sein und hier meinen Einfluss wirken lassen.


Lieber Marcel, herzlichen Dank für die inspirierenden Einblicke und den gehaltvollen Gedankenaustausch. Alles Gute für deine zukünftigen Ziele und weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg als Athlet und Vorbild!

Mehr Informationen zu Marcel findest du hier.

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